BVerwG 2. Wehrdienstsenat, Urteil vom 02.05.2019, 2 WD 15/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 2 WD 15/18 (BVerwG)

vom 2. Mai 2019 (Donnerstag)


Datenquelle: www.rechtsprechung-im-internet.de (Direktlink)

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Das Berufungsverfahren betrifft den schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in einem minder schweren Fall.

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Für seinen Einsatz bei der Abwehr von Gefahren und zur Beseitigung von Schäden anlässlich der Flutkatastrophe erhielt er 2013 die Einsatzmedaille der Bundeswehr.

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Die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister enthält das im sachgleichen Strafverfahren ergangene Urteil des Amtsgerichts ..., mit dem der frühere Soldat wegen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten (auf zwei Jahre Bewährung) verurteilt worden ist. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 17. Mai 2017 erlassen. Ferner weist der Auszug eine Verurteilung aus 2009 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie eine Verurteilung aus 2012 wegen Beleidigung aus. In beiden Fällen wurde von einer Verfolgung nach § 45 Abs. 3 JGG abgesehen und im Fall des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Ermahnung ausgesprochen.

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1. Nach ordnungsgemäßer Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens und auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift vom 17. Februar 2016 hat die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd den früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Panzergrenadiers herabgesetzt.

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In tatsächlicher Hinsicht hat es zum einen die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts ... vom 8. April 2015 zugrunde gelegt. Danach führte der Angeklagte am 18. August 2014 gegen 10:00 Uhr mit der am ... geborenen, somit "damals 13-jährigen A. in deren Zimmer im elterlichen Anwesen ..., den vaginalen Geschlechtsverkehr für die Dauer von 10 bis 15 Minuten aus. Der Angeklagte benutzte hierbei ein Kondom, zum Samenerguss kam er nicht".

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Darüber hinaus stellte das Truppendienstgericht ergänzend fest, dass der frühere Soldat mit der Geschädigten im Juni 2014 Kontakt über das soziale Netzwerk Facebook aufgenommen habe. In der Folgezeit hätten beide zahlreiche Nachrichten über Facebook und den Mitteilungsdienst WhatsApp ausgetauscht. In einer Nachricht über Facebook vom 17. Juni 2014 habe die Geschädigte dem früheren Soldaten auf Nachfrage zu ihrem Alter mitgeteilt, dass sie 13 Jahre alt sei. Der frühere Soldat habe anschließend angegeben, 21 Jahre alt zu sein. In einer weiteren Nachricht vom 27. Juli 2014 habe er die Geschädigte gefragt, ob sie Sex mit ihm haben wolle. Diese habe es zunächst verneint, aber schließlich bejaht. Am Vormittag des 18. August 2014 hätten sich beide verabredet und in der elterlichen Wohnung der Geschädigten in ... getroffen. Die Eltern der Geschädigten seien zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen. In der Wohnung sei eine Freundin der Geschädigten anwesend gewesen. Zwischen den Mädchen sei vereinbart worden, dass sich die Freundin im Nebenzimmer aufhalte, "falls B. etwas schlimmes macht". Der frühere Soldat habe dies gewusst. Im Kinderzimmer der Geschädigten hätten sich beide jeweils selbst entkleidet und es sei für die Dauer von 10 bis 15 Minuten zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen, auch zu Vaginalverkehr gekommen. Nach ärztlicher Feststellung sei es jedoch nicht zu einer Defloration der Geschädigten gekommen. Der frühere Soldat habe ein Kondom verwendet, zum Samenerguss sei er nicht gekommen. Anschließend habe die Geschädigte den früheren Soldaten zu dessen Auto gebracht und beide hätten sich verabschiedet. Die Geschädigte sei zu ihrer Freundin gegangen, habe ihr von dem Geschehen berichtet und seinerzeit zum Ausdruck gebracht, dass sie "stolz" auf ihr erstes Mal sei. Deren Eltern hätten erst Mitte September 2014 durch die Mutter einer Freundin der Geschädigten von dem Geschehenen erfahren. Während des sich anschließenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens habe der frühere Soldat den Sachverhalt eingestanden, an die Geschädigte einen Schadenausgleich von 2 000 € gezahlt und an Rechtsverfolgungskosten über 535,60 € erstattet.

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Bereits Ende 2014 habe der frühere Soldat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seinem Gruppenführer und seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten gemeldet. Der frühere Soldat habe sich auch im Strafverfahren kooperativ gezeigt. In der Einheit sei der Sachverhalt nicht weiter bekannt geworden.

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Rechtlich zu würdigen sei das Verhalten als vorsätzliches Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG, da der frühere Soldat unter Verstoß gegen §§ 176, 176a StGB sexuelle Handlungen an einem Kind begangen und damit gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG a.F. verstoßen habe.

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Hinsichtlich der Maßnahmebemessung sei zu berücksichtigen, dass das vorsätzlich begangene Dienstvergehen schwer wiege, weil es sich bei § 17 Abs. 2 Satz 2 SG a.F. um eine zentrale soldatische Pflicht handele. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes sei in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich, weil der Täter damit in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen eingreife und die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft gefährde. Zugleich benutze er das Kind als "Mittel" zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes und verletze dadurch dessen Menschenwürde.

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Den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilde deshalb zwar die Höchstmaßnahme; jedoch liege ein minder schwerer Fall des schweren sexuellen Missbrauchs vor. Auch sei der frühere Soldat zuvor weder disziplinarisch noch strafrechtlich einschlägig in Erscheinung getreten. Im dienstlichen Bereich habe das Verhalten keine nachteiligen Wirkungen gezeigt und der frühere Soldat habe in keinem Vorgesetztenverhältnis gestanden. Darüber hinaus habe er im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs ein angemessenes Schmerzensgeld gezahlt und sei geständig gewesen. Der Geschlechtsverkehr sei einvernehmlich und geschützt erfolgt und der frühere Soldat unreif gewesen. Die Herabsetzung in den untersten Mannschaftsdienstgrad sei daher ausreichend.

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2. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat ihre maßnahmebeschränkte Berufung im Wesentlichen damit begründet, dass der frühere Soldat im Strafverfahren zwar nur wegen eines minder schweren Falls verurteilt worden sei, dies jedoch kein Abweichen von der Höchstmaßnahme rechtfertige. Die Geschädigte sei zum Tatzeitpunkt 13 Jahre und zweieinhalb Monate alt und damit ein Kind gewesen. Damit habe sie zu dem Personenkreis gezählt, den der Gesetzgeber mit den §§ 176 ff. StGB besonders schützen wolle. Verschärfend trete hinzu, dass der frühere Soldat der Geschädigten altersmäßig deutlich überlegen gewesen sei, woran auch seine persönliche Unreife nichts ändere. Statt sie zu schützen und Gefahren von ihr abzuwenden, habe er mit ihr in Kenntnis ihres Alters den Geschlechtsverkehr vollzogen und sie damit einem erheblichen Entwicklungsrisiko ausgesetzt. Dass der Geschlechtsverkehr geschützt stattgefunden habe, stelle lediglich das absolute Mindestmaß an Restverantwortung dar, das er ihr gegenüber einzuhalten gehabt habe. Ebenso wenig könne ihm zugutegehalten werden, dass er nicht in einem Vorgesetztenverhältnis gestanden habe, weil es die Pflicht eines jeden Soldaten sei, gerade besonders verletzliche Mitglieder der Gesellschaft zu schützen.

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1. Gemäß § 124 WDO findet die Berufungshauptverhandlung auch dann ohne den Soldaten statt, wenn dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Die Regelung gilt auch für frühere Soldaten (BVerwG, Urteil vom 15. März 2013 - 2 WD 15.11 - juris Rn. 20 m.w.N.). Die Voraussetzungen des § 124 WDO sind erfüllt, weil der frühere Soldat mit Ladungsschreiben vom 6. November 2018 gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 103 WDO ordnungsgemäß geladen und im Ladungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.

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2. Die zulässige Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist begründet.

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a) Das Rechtsmittel der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden. Da dem früheren Soldaten noch bislang einbehaltene Übergangsgebührnisse zustehen, gilt er als früherer Soldat gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO, dessen Verhalten auch weiterhin disziplinarisch geahndet werden kann.

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Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der frühere Soldat einen minder schweren Fall des schweren Missbrauchs eines Kindes begangen hat. Damit habe er vorsätzlich die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG a.F. verletzt. Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt (BVerwG, Urteil vom 10. September 2009 - 2 WD 28.08 juris Rn. 14 m.w.N.).

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b) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin der Bundeswehr", vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

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aa) Auf der ersten Stufe ist im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen" zu bestimmen. Dabei entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder der sexuellen Nötigung eines Jugendlichen der Soldat für die Bundeswehr im Grundsatz untragbar wird. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB wiegt in der Regel so schwer, dass der Soldat das in ihn gesetzte Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren hat und dass diesem bei objektiver Betrachtung eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2001 - 2 WD 51.00 - juris Rn. 64, vom 27. Juli 2010 - 2 WD 5.09 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 30 Rn. 28 und vom 15. März 2013 - 2 WD 15.11 - juris Rn. 38 m.w.N.).

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Der nach § 176 Abs. 1 StGB strafbare sexuelle Missbrauch eines Kindes ist - wie die sexuelle Nötigung eines Jugendlichen - in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Denn der Täter greift damit in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil Kinder wie Jugendliche wegen ihrer fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten können. Zugleich benutzt der Täter die Person eines Jugendlichen als "Mittel" zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes und verletzt dadurch dessen durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte unantastbare Menschenwürde. Sexueller Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen schädigt regelmäßig das Ansehen des Täters schwerwiegend. Denn der Schutz dieses Personenkreises vor sittlicher Gefährdung wird - trotz "Liberalisierung" der gesellschaftlichen Anschauungen auf diesem Gebiet - von der Bevölkerung nach wie vor sehr ernst genommen. Verstöße gegen die einschlägigen strafrechtlichen Schutzbestimmungen werden nach wie vor als verabscheuungswürdig angesehen und setzen den Täter kritischer Resonanz und Missachtung aus. Darüber hinaus hat der strafbare sexuelle Missbrauch eines Kindes durch einen Soldaten, der als Teil der staatlichen Gewalt die Würde des Menschen zu achten und zu schützen hat (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG), auch im dienstlichen Bereich aus der Sicht eines vorurteilsfreien und besonnenen Betrachters eine nachhaltige Ansehensschädigung zur Folge. Denn dadurch wird das Vertrauen, das der Dienstherr in die Selbstbeherrschung, Zuverlässigkeit und moralische Integrität des Soldaten setzt, von Grund auf erschüttert. Wer als Soldat in dieser Weise versagt, beweist damit erhebliche Persönlichkeitsmängel (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2010 - 2 WD 5.09 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 30 Rn. 16 m.w.N.). Bei einem Kindesmissbrauch die Höchstmaßnahme zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu nehmen ist folgerichtig. Denn auch im Fall eines Verbreitens kinder- oder jugendpornografischer Schriften/Dateien wird die Höchstmaßnahme zugrunde gelegt, ohne dass damit ein Körperkontakt mit einem Kind verbunden gewesen sein müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2018 - 2 WD 10.18 - juris Rn. 39 m.w.N.).

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Nichts anderes kann für einen schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 StGB gelten, auch wenn eine weniger gravierende Fallkonstellation vorliegt. Dass auch in einem solchen Fall Eigenart und Schwere der Tat grundsätzlich die Höchstmaßnahme verlangen, wird dadurch indiziert, dass der Gesetzgeber für eine solche Tat einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorsieht. Dieser Strafrahmen liegt durch die Mindeststrafe von einem Jahr oberhalb des Strafrahmens des einfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB und deutlich oberhalb des Strafrahmens für die Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Schriften nach § 184b Abs. 1, § 184c Abs. 1 StGB. Dass der minderschwere Fall des schweren Kindesmissbrauchs nach Eigenart und Schwere kein geringeres Gewicht hat als der keinen Qualifikationstatbestand erfüllende Kindesmissbrauch oder die Verbreitung kinderpornografischer Schriften kommt in dem höheren Strafrahmen zum Ausdruck. Dieser gesetzgeberischen Wertung ist im sachgleichen Disziplinarverfahren dadurch Rechnung zu tragen, dass für diese Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern grundsätzlich die gleiche Maßnahmeart - und damit die Höchstmaßnahme - veranlasst ist.

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bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem an Hand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht beim Maß der Disziplinarmaßnahme einen Spielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 2 WD 13.18 - Rn. 25).

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Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegen keine Umstände vor, die es gebieten würden, von der Höchstmaßnahme abzuweichen, die bei dem früheren Soldaten gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WDO in der Aberkennung des Ruhegehalts (§ 1 Abs. 3 Satz 2 WDO) besteht. Dabei müssen die Milderungsgründe umso gewichtiger sein, je schwerer das Dienstvergehen - wie vorliegend - wiegt (BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - juris Rn. 73 m.w.N.). Ein hierfür ausreichendes Gewicht erreichen die mildernden Aspekte allerdings nicht.

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Mildernd ist zwar einzustellen, dass der frühere Soldat die Tat vor dem Strafgericht nicht bestritten, Reue gezeigt und dem geschädigten Kind erspart hat, strafgerichtlich aussagen zu müssen. Da aber durch Zeugen- und Urkundsbeweis ein Nachweis der Tat auch vor seinen geständigen Einlassungen möglich gewesen wäre, kommt diesem Umstand nur geringes Gewicht zu. Seine dienstlichen Leistungen bewegten sich indes im durchschnittlichen Bereich und können folglich nicht mit hohem Gewicht zu seinen Gunsten Berücksichtigung finden. Desgleichen gilt für den Umstand, dass er disziplinarisch bislang nicht in Erscheinung getreten ist, weil er hiermit nur die Mindesterwartungen des Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt hat (BVerwG, Urteil vom 12. März 2015 - 2 WD 3.14 - juris Rn. 75). Im Übrigen ist seine zwar nicht einschlägige, aber immerhin strafrechtliche Vorbelastung einzustellen.

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Da der vom früheren Soldaten geleisteten Schmerzensgeldzahlung bereits im Strafverfahren unter dem Gesichtspunkt des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafreduzierende Bedeutung beigemessen wurde und sie mit ursächlich dafür war, dass dort keine bereits kraft Gesetzes zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis führende Freiheitsstrafe verhängt wurde, entlastet sie ihn vorliegend nicht erheblich (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2018 - 2 WD 15.17 - juris Rn. 45).

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Eigenart und Schwere des vom Truppendienstgericht festgestellten Dienstvergehens stellen sich angesichts des vorsätzlichen Verstoßes des uneingeschränkt schuldfähigen früheren Soldaten gegen die Pflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG a.F. - wie im Regelfall - als außerordentlich schwer dar. Dies gilt vor allem, weil das Verhalten ausschließlich sexuell motiviert und zudem insoweit planvoll war, als der frühere Soldat sich die - zunächst zögernde - Geschädigte auf dem Wege sozialer Medienkommunikation über mehrere Monate hinweg schließlich gefügig gemacht hat.

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Dass das Dienstvergehen - jedenfalls aktuell - nicht nachweislich zu Schäden beim Opfer geführt hat, die sexuellen Handlungen nicht gegen den Willen des geschädigten Kindes durchgeführt wurden und dass der frühere Soldat auch zum Schutz des Kindes ein Kondom genutzt hat, rechtfertigt die Annahme eines minderschweren Falles nach § 176a Abs. 4 StGB. Diese für ihn sprechenden Aspekte können aber nicht als Begründung dafür herangezogen werden, von der auch für minderschwere Fälle regelmäßig vorgesehenen Höchstmaßnahme abzusehen.

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Ist die Höchstmaßnahme zu verhängen, kann auch eine überlange Verfahrensdauer keine maßnahmemildernde Wirkung mehr entfalten (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2018 - 2 WD 15.17 - juris Rn. 56 m.w.N). Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Dauer des Disziplinarverfahrens verfassungs- und konventionswidrig unangemessen lang gewesen ist.

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3. Da das Rechtsmittel der Wehrdisziplinaranwaltschaft Erfolg hatte, sind dem früheren Soldaten die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen (§ 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO).