BVerwG 1. Senat, Urteil vom 06.02.2019, 1 A 3/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 1 A 3/18 (BVerwG)

vom 6. Februar 2019 (Mittwoch)


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Abschiebungsanordnung gegen einen radikal-islamistischen Gefährder

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Der Kläger, ein 21 Jahre alter türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung in die Türkei.

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Er ist als zweitjüngstes von fünf Kindern seiner Eltern im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen. Seine Eltern und seine beiden Schwestern leben im Bundesgebiet, seine beiden älteren Brüder waren zuletzt in der Türkei aufhältig, in der auch weitere Verwandte leben. Er besuchte nach der Grundschule zunächst die Hauptschule. Zur siebten Klasse wechselte er auf eine Förderschule. Nach deren Abschluss und der Absolvierung eines Berufsvorbereitungsjahres erwarb er den qualifizierten Hauptschulabschluss. Den Besuch einer Berufsfachschule beendete er vorzeitig. Hiernach war er in der Zeit von März 2016 bis Ende 2016 als Aushilfe und in der Zeit von März 2017 bis Dezember 2017 als Kurierfahrer und Lagerarbeiter tätig. Im November 2013 wurde ihm eine Niederlassungserlaubnis erteilt.

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Der Kläger wurde am 18. Dezember 2017 am Flughafen bei der Ausreise festgenommen. Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 4. Juni 2018 sprach ihn das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - im Zusammenhang mit der von ihm beabsichtigten Ausreise vom Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a Abs. 2a StGB frei. Über die seitens der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden worden.

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Mit einer ohne Briefkopf ausgefertigten Verfügung vom 24. Oktober 2018 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers in die Türkei an. Noch am gleichen Tag wurde dieser festgenommen und gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung Haft angeordnet. Am 2. November 2018 stellte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten eine mit Briefkopf ausgefertigte inhaltsgleiche Verfügung vom gleichen Tag zu. Darin ordnete es erneut die Abschiebung des Klägers in die Türkei an (Ziffer I). Zugleich stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1, 2, 3, 5 und 7 AufenthG, die seiner Abschiebung in die Türkei entgegenstehen könnten, nicht vorlägen (Ziffer II) und dass das mit seiner Abschiebung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 5 AufenthG unbefristet gilt und keine Ausnahme hiervon zugelassen wird (Ziffer III). Zur Begründung der von dem Kläger ausgehenden besonderen Gefahrenlage führte es aus, dieser identifiziere sich mit dem jihadistischen Islamismus, pflege enge Kontakte zu wenigstens gleichgesinnten Personen, sei bereit, nach Syrien oder in den Nordirak auszureisen, um sich an der Waffe ausbilden zu lassen und dort in einem vermeintlich religiösen Krieg zu kämpfen, und heiße den Märtyrertod gut. Er habe umfangreiches Ton- und Videomaterial besessen, das als Propagandamaterial jihadistischer (Terror-)Organisationen bewertet worden sei, und nicht nur ein reges Interesse, sondern eine Begeisterung für und den Willen zur Teilnahme an dem Jihad entwickelt. Er habe beabsichtigt, zum Zwecke der Teilnahme an einem solchen Kampf nach Syrien oder in den Nordirak auszureisen. Der Freispruch von dem Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat widerstreite der Annahme eines entsprechenden beachtlichen Risikos nicht, da sich die gefahrenabwehrrechtlichen Prüfungsmaßstäbe von denen des Strafrechts unterschieden. Die persönliche und charakterliche Entwicklung des Klägers sei von einer zunehmenden Radikalisierung geprägt. So sei er Mitglied des Vereins "Die wahre Religion" gewesen und habe sich im Jahr 2016 wiederholt an der Koranverteilaktion "LIES!" beteiligt. Die Mitgliedschaft in dem Verein "Ansaar International e.V." habe er angestrebt. Er habe religiöse Vorträge unter anderem des salafistischen Predigers Pierre Vogel besucht und die Aufmerksamkeit von Bernhard Falk, einer bundesweit bekannten Größe in der salafistischen und islamistischen Szene, auf sich gezogen. Intensiven Kontakt habe er mit einem Koranlehrer gepflegt, der ihn als "geistiger Führer" mit seinem zumindest fundamentalistischen Islamverständnis und salafistischer Religiosität beeinflusst habe. Über seinen Facebook-Account habe er im Internet ein Zitat eines D. D. kundgetan, dass, wer den Propheten beleidige, getötet werden müsse. Er habe zeitweise einen Salafistenbart getragen und wiederholt den Tauhid-Finger gezeigt. Das Ausmaß seiner Radikalisierung lasse es als hinreichend wahrscheinlich erscheinen, dass er seiner Überzeugung Taten folgen lassen und im Einklang mit dieser Überzeugung zu jihadistischen, mithin terroristischen Maßnahmen auch im Bundesgebiet greifen werde. Seine Unterweisung in einem Ausbildungslager etwa im Umgang mit Schusswaffen oder Sprengvorrichtungen lasse für den Fall einer Rückkehr eine massive Bedrohungslage für die innere Sicherheit besorgen.

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Am 30. November 2018 hat der Kläger bei dem Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, die in der Verfügung vom 2. November 2018 zur Begründung der Abschiebungsanordnung angeführten Tatsachen rechtfertigten nicht die Prognose, von seiner Person gehe eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr aus. Sämtliche Erkenntnisse datierten aus dem Zeitraum 2016 und 2017. Die Aktion "LIES!" habe er nur einmalig beziehungsweise für die Dauer von zwei Monaten beziehungsweise fünf bis sechs Mal unterstützt. An der Aktion "We love Mohammed" habe er sich niemals beteiligt. Über Gespräche und Kontakte mit den in der Abschiebungsanordnung bezeichneten Personen sei er in die salafistische Szene hineingeraten. Zu der Person des Bernhard Falk habe es nur einen einmaligen Kontakt gegeben, der zudem nicht von ihm ausgegangen sei und in dessen Rahmen er diesen um die Benennung eines geeigneten Rechtsanwalts gebeten habe. In diese Zeit sei auch die Äußerung "Wer den Propheten beleidigt, muss getötet werden" einzuordnen. Diese stamme nicht von ihm, sondern sei der Titel eines Vortrages. Er habe bekundet, dass die betreffende Aussage falsch sei. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass es sich bei dem Tauhid-Finger um ein Symbol für den islamischen Monotheismus handle. Von radikalen salafistischen Kräften habe er sich abgegrenzt; von dem Terrorismus distanziere er sich; die Terrororganisation IS lehne er ab. Ein Foto, welches ihn gemeinsam mit weiteren Familienmitgliedern mit einer Langwaffe seines Großvaters zeige, sei ein Familienfoto. Nur ein Teil der abgehörten Telefonate sei in das Verfahren eingeführt worden. Kommunikationen, die er vor der Polizei habe verheimlichen wollen, habe er ohnehin über andere Dienste geführt. Die Befürchtung seiner Eltern, er habe im Dezember 2017 beabsichtigt, nach Syrien zu reisen, sei unbegründet gewesen. Mit der Behauptung, er werde "zum Jihad gehen", habe er lediglich seine Mutter provozieren wollen. Er sei noch nie in Syrien gewesen. Der in Telefonaten verwendete Begriff "Honig" habe als Umschreibung seines seinerzeit regelmäßigen Besuchs bei Prostituierten beziehungsweise dazu gedient, die Polizei zu verwirren. Der Umstand, dass er mit einem One-Way-Ticket in die Türkei habe fliegen wollen, rechtfertige nicht die Annahme, er habe sich seinerzeit nach Syrien begeben wollen. Auch bei einem Türkei-Aufenthalt im Jahr 2016 habe er sein Rückflugticket in der Türkei erworben. Sein Ankunftsort N. liege mehr als 550 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Mit dem bei dem Ausreiseversuch im Dezember 2017 mitgeführten Bargeld habe er seinen Unterhalt bestreiten, Geschenke für seine Familienmitglieder kaufen, Unterkünfte bezahlen, das Rückflugticket erwerben und sich gegebenenfalls von der Einziehung zum Militärdienst freikaufen wollen. Seiner Einordnung als radikaler Salafist widerstreite auch, dass er einen Hund halte, der ihm äußerst wichtig sei. Er sei im Bundesgebiet in das Leben seiner Familie integriert. Seine Eltern beabsichtigten nicht, ihr Hausgrundstück zu verkaufen, um in die Türkei zurückzukehren. Er habe sich nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft in Kooperation mit der Arbeitsverwaltung um eine Weiterbildung zum LKW-Fahrer bemüht. Zudem gebe er Sportunterricht für Jugendliche. In der Abschiebungshaft führe er sich vorbildlich. Aufgrund seines beanstandungsfreien Verhaltens seien ihm Vergünstigungen zugestanden worden. Die Türkei kenne er allein aus Urlaubsreisen und Besuchsaufenthalten bei seinen Verwandten.

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Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 2. November 2018 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt die angegriffene Verfügung.

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Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht an dem Verfahren.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beteiligten eine Liste mit Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand Januar 2019) zur Kenntnis gebracht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte dieses und des Verfahrens BVerwG 1 VR 12.18, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten, die Ausländerakte, die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft (im Folgenden: Ermittlungsakte) und die Gefangenenpersonalakte.

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Verfügung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 2. November 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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1. Alleiniger Gegenstand des von dem Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Rechtsstreits ist die in Ziffer I der Verfügung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 2. November 2018 erlassene Abschiebungsanordnung. Mit dieser hat die Erlassbehörde zugleich konkludent ihre Verfügung vom 24. Oktober 2018 mit Wirkung ex nunc aufgehoben. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes in entsprechender Anwendung der §§ 133 und 157 BGB zu ermitteln (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 27 m.w.N.). Danach stellte sich die Ordnungsverfügung vom 2. November 2018 aus der Perspektive ihres Adressaten nicht als bloße Wiederholung eines bereits erlassenen Verwaltungsakts ohne erneute Sachentscheidung, sondern ob des neu gewählten Erlassdatums als eigenständiger neuer Verwaltungsakt dar, der die zuvor ohne Briefkopf erlassene Verfügung vom 24. Oktober 2018 mit Wirkung für die Zukunft ersetzen sollte. Hierfür streitet entscheidend, dass der Erlass der zweiten Verfügung dazu bestimmt war, das Risiko einer etwaigen Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 1 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG) in der Fassung vom 15. Januar 2010 (GVBl. I S. 18), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 12. September 2018 (GVBl. I S. 570), auszuschließen und zugleich zu vermeiden, der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 24. Oktober 2018 nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1147), angeordneten Haft zur Sicherung der Abschiebung des Klägers nachträglich die Grundlage zu entziehen.

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Der in Ziffer II der Ordnungsverfügung vom 2. November 2018 getroffenen Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1, 2, 3, 5 und 7 AufenthG, die der Abschiebung des Klägers in die Türkei entgegenstehen könnten, nicht vorlägen, kommt keine eigenständige Regelungswirkung bei. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Feststellung ist Teil der gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung.

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Die sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ergebende erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts über Streitigkeiten gegen Abschiebungsanordnungen nach § 58a AufenthG und deren Vollziehung erstreckt sich nicht auf das von dem Beklagten zusammen mit der Abschiebungsanordnung verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot (vgl. insoweit den Trennungs- und Verweisungsbeschluss des Senats vom 6. Februar 2019 - 1 A 1.19 <1 A 3.18> -).

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2. Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer weder abgeschoben wurde noch freiwillig ausgereist ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO in erster und letzter Instanz zuständigen Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 14).

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Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.

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2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18).

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Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (ANBA 1981 S. 4) - ARB 1/80 - steht der Anwendbarkeit von § 58a AufenthG unabhängig davon, ob der Kläger sich (noch) auf den Schutz dieser Regelung berufen kann, nicht entgegen. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit dieser Norm auf den Kläger und der Annahme, dass es sich bei § 58a AufenthG um eine "neue Beschränkung" im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 handelt, wäre eine daraus resultierende Verschlechterung der rechtlichen Situation des Klägers jedenfalls gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Schaffung einer "neuen Beschränkung" nämlich dann nicht verboten, wenn diese zu den in Art. 14 ARB 1/80 aufgeführten Beschränkungen gehört oder "durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet [ist], die Verwirklichung des verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und [...] nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus[geht]" (EuGH, Urteil vom 29. März 2017 - C-652/15 [ECLI:EU:C:2017:239] - Rn. 33). Dies ist vorliegend der Fall. § 58a AufenthG dient dem Schutz höchster Schutzgüter, ist geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, und geht nicht über das notwendige Maß hinaus. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 58a AufenthG mit der Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385), da eine Aufenthaltsbeendigung nach § 58a AufenthG durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 - 1 A 16.17 - juris Rn. 18 m.w.N.).

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2.2 Die Abschiebungsanordnung vom 2. November 2018 ist formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung nicht angehört worden ist.

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a) Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Anhörung des Klägers nach nationalem Verfahrensrecht entbehrlich war, da eine solche jedenfalls nachgeholt worden ist.

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§ 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, sodass § 28 HVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 HVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1).

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Einer abschließenden Würdigung des Umstandes, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Ergehens der hier angegriffenen Verfügung vom 2. November 2018 bereits auf richterliche Anordnung in Abschiebungshaft befand, im Lichte des § 28 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG bedarf es hier nicht, da ein nach dieser Norm nicht gerechtfertigtes Unterbleiben einer Anhörung des Klägers zwischenzeitlich gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG geheilt worden wäre. Danach ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 HVwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Eine entsprechende Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene Gelegenheit hat, seine Einwendungen vorzubringen, und die Behörde diese nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Von Letzterem ist auszugehen, wenn sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 7 C 5.14 - BVerwGE 153, 367 Rn. 17 m.w.N.). Gemessen daran ist eine funktionsgerechte Anhörung hier nachgeholt und ein etwaiger Anhörungsmangel dadurch geheilt worden. Der Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2019 Gelegenheit gegeben, zu den für die Entscheidung über die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erheblichen Tatsachen und rechtlichen Wertungen Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit hat der Kläger innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht wahrgenommen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, auch in Ansehung des bisherigen Vortrages des Klägers und nach neuerlicher Prüfung der Sach- und Rechtslage an der Abschiebungsanordnung und den diese stützenden Gründen festzuhalten.

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b) Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, genügt die Nachholung der Anhörung auch den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben.

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Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:EU:C:2014:2336], Mukarubega - Rn. 40 bis 45). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 - Rn. 45).

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Sind - wie im Ausgangsverfahren - weder die Bedingungen, unter denen die Wahrung der Verteidigungsrechte von Drittstaatsangehörigen zu gewährleisten ist, noch die Folgen der Missachtung dieser Rechte unionsrechtlich festgelegt, richten sich diese Bedingungen und Folgen nach nationalem Recht, sofern die in diesem Sinne getroffenen Maßnahmen denen entsprechen, die für den Einzelnen in vergleichbaren unter das nationale Recht fallenden Situationen gelten (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 - Rn. 51 ff.).

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Gemessen daran wurde den Erfordernissen in Bezug auf die Äquivalenz und Effektivität durch die Ermöglichung der nachträglichen Wahrnehmung der Verteidigungsrechte bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG entsprochen.

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2.3 Die Abschiebungsanordnung vom 2. November 2018 ist auch materiell nicht zu beanstanden. Sie ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr, die auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr zielt. Eine solche Gefahr geht von dem Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus.

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a) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120 f.>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 21).

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Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im "politischen/ideologischen Kampf" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 23).

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Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet, in den letzten Jahren zugenommen und sich seither rasch gewandelt haben. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Union im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3), dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) und Art. 3 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 S. 6) gewonnen werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und geeignet sind, die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 22). Die Bedrohungen sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt. Sie gefährden die Sicherheitsinteressen der Staatengemeinschaft. Die Nationalstaaten sind aufgerufen, terroristischen Gruppen, die Möglichkeit zu verwehren, Wurzeln zu schlagen und sichere Zufluchtsorte zu schaffen (UN-Sicherheitsrat, Resolution 2178 <2014> vom 24. September 2014, S/RES/2178 <2014> S. 1). Eine akute und zunehmende Bedrohung geht von terroristischen Kämpfern, mithin von Personen aus, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat der Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen (UN-Sicherheitsrat, Resolution 2178 <2014> vom 24. September 2014, S/RES/2178 <2014> S. 2 und 5). Die Rückkehr terroristischer Kämpfer in Staaten ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit erhöht die Sicherheitsbedrohung weiter (Erwägungsgrund 4 Satz 3 der Richtlinie <EU> 2017/541). Die vorstehenden Ausführungen lassen deutlich werden, dass die Annahme einer terroristischen Gefahr eine unmittelbare räumliche Beziehung zwischen den terroristischen Aktivitäten und der Bundesrepublik Deutschland nicht voraussetzt (so auch Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 58a AufenthG Rn. 23; a.A. Funke-Kaiser, in: Fritz/Vormeier <Hrsg.>, Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Januar 2019, § 58a AufenthG Rn. 19). Terroristische Bedrohungen gefährden die Sicherheitsinteressen der Staatengemeinschaft und nicht allein desjenigen Staates, in dessen Gebiet sie nach dem Willen der terroristischen Kämpfer Platz greifen sollen.

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Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 24).

33

Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mithilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 25).

34

Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 26). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten Jihad als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18). Gefahrerhöhende Umstände können sich auch aus einem freiwilligen Aufenthalt im Ausland im unmittelbaren Umfeld jihadistischer oder sonstiger terroristischer oder extremistischer Vereinigungen ergeben (BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 1 VR 3.18 - juris Rn. 21). Eine hinreichend konkretisierte terroristische Gefahr kann überdies anzunehmen sein, wenn sich eine solche Person mit dem Ziel, am militärischen Jihad teilzunehmen und/oder sich in Fertigkeiten unterweisen zu lassen, die der Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten dienen, ins Ausland zu begeben sucht.

35

Für eine entsprechende "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen beziehungsweise Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 27).

36

Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Als ein derartiger Umstand ist die vollendete oder versuchte Ausreise einer salafistisch radikalisierten Person anzusehen, die mit dem Ziel erfolgt, an dem militärischen oder terroristischen "Kampf zur Verteidigung des Islams" teilzunehmen und/oder sich für terroristische Zwecke ausbilden zu lassen, um sodann als "Märtyrer" ins Paradies einzuziehen. Ist eine solche Reise für diese oder andere terroristische Zwecke bestimmt, so ist es für die Annahme jedenfalls einer terroristischen Gefahr grundsätzlich unerheblich, dass diese Person noch keine konkreten Vorstellungen von dem Ort der Begehung terroristischer Straftaten entwickelt hat.

37

In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalles - in der Gesamtschau schon daraus ergeben, dass ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer sich in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 28). Erst recht kann ein solches beachtliches Eintrittsrisiko anzunehmen sein, wenn die Radikalisierung eines solchen Ausländers ein Stadium erreicht, in dem sich dieser nach reiflicher Abwägung verpflichtet fühlt, seine Religion mit dem Mittel des gewaltsamen Kampfes zu verteidigen. Dies gilt auch, wenn dieser Kampf zunächst im Ausland erfolgen soll.

38

Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 29).

39

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose davon auszugehen, dass von dem Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein beachtliches Risiko einer terroristischen Gefahr im Sinne des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausgeht, auch wenn den Sicherheitsbehörden noch kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist. Es besteht ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass der Kläger, im Falle seiner Entlassung aus dem öffentlichen Gewahrsam neuerlich versuchen wird, seine religiös motivierten Ziele durch gewaltsame oder terroristische Handlungen im syrischen Konfliktgebiet durchzusetzen.

40

Der Kläger ist der radikal-salafistischen Szene in Deutschland zuzurechnen (aa). Zum Ende des Jahres 2017 kulminierte die von ihm infolge seiner zunehmend radikal-salafistischen Grundhaltung ausgehende Bedrohungssituation in dem Versuch, sich im Ausland einer Terrormiliz anzuschließen und sich in der Herstellung von oder im Umgang mit inkriminierten Gegenständen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten dienen, unterweisen zu lassen (bb). Die insoweit hinreichend konkretisierte terroristische Gefahr wird auch nicht durch sonstige Umstände relativiert (cc).

41

aa) Die Zugehörigkeit des Klägers zu dem radikal-salafistischen Milieu im Bundesgebiet belegen insbesondere seine nach außen bekundete Einstellung (1), seine Teilnahme an Aktionen und Veranstaltungen (2), die von ihm gepflegten Kontakte (3) sowie die bei ihm aufgefundenen Gegenstände und Dokumente (4).

42

(1) Der Kläger hat in den zurückliegenden Jahren eine radikal-salafistische Einstellung angenommen.

43

Er bekennt sich offen zur Scharia (Bl. 1343 der Ermittlungsakte) und bekundet, als Muslim glaube er "an Gottes Gesetz und nicht" an "von Menschen gemachte Gesetze" (Bl. 116 der Ermittlungsakte). Über sein Facebook-Profil appellierte er an andere, sich nicht "von Menschen gemachten Gesetzen" zu beugen (Blatt 18 der Ermittlungsakte). Desgleichen gab er im Einklang mit dem salafistischen Islamverständnis zu verstehen, dass er als Muslim nichts von Demokraten halte (Bl. 418, 450 und 534 der Ermittlungsakte).

44

Seiner salafistischen Prägung hat er in diversen Äußerungen Ausdruck verliehen. Gegenüber seinem Freund P. W. bekundete er, "Hidschra machen" und "nie wieder komm[en]" zu wollen (Bl. 255 der Ermittlungsakte). Aus der "Hidschra" (wörtlich übersetzt: Migration/Auswanderung) wurde von der Terrororganisation "Islamischer Staat" die Verpflichtung abgeleitet, als Jihadist speziell ins "IS"-Kalifat zu reisen (https://de.wikipedia.org/wiki/Hidschra m.w.N.; https://de.qantara.de/inhalt/dschihadismus-wie-der-islamische-staat-den-sinn-der-hidschra-pervertiert). Seinen Eltern gegenüber zitierte er den "heiligen Propheten" mit den Worten, "[d]er Urlaub meiner Glaubensgemeinschaft ist der Jihad" (Bl. 248 der Ermittlungsakte). Seiner Mutter eröffnete er, bereit zu sein, in den Jihad zu ziehen (Bl. 584 und 587 der Ermittlungsakte). Aufgrund dieser Äußerungen ging sie davon aus, er wolle "in das Paradies, indem er Märtyrer [werde]" (Bl. 344 der Ermittlungsakte). Aussagen wie "Wir lieben den Tod, so wie die das Leben" (Bl. 421 und 537 der Ermittlungsakte) unterstreichen die Realitätsnähe dieses Befundes. Sie offenbaren, wie sehr sich der Kläger dem salafistischen Islamverständnis verschrieben hat, dem zufolge diesseitige Werte und profane Erfolge wertlos sind, da sie nicht zum Erreichen des Paradieses beizutragen vermöchten (vgl. insoweit auch die islamwissenschaftliche Stellungnahme des polizeilichen Staatsschutzes vom 29. September 2017, Bl. 453 der Ermittlungsakte). Seinem Freund P. W. gegenüber rezitierte der Kläger den Koran-Vers "Ich bin mit denen als Märtyrer, egal was kommt" (Bl. 321, 323 und 715 der Ermittlungsakte). Die sich darin widerspiegelnde Bereitschaft, den Märtyrertod zu erleiden, klingt auch in der Äußerung an, er habe aufgrund von Träumen das Gefühl, dass er bald sterben werde, und hoffe, dass er entweder auf dem Weg zur Moschee, bei einem Gebet oder woanders sterben werde (Bl. 312 und 718 der Ermittlungsakte). Dass er innere Vorbehalte gegenüber dem Märtyrertod nicht kennt, belegt auch der wohl scherzhaft geäußerte Satz "Machen wir Istis[hhad] in Frankfurt." (Istishhad = Märtyrertod) (Bl. 341 der Ermittlungsakte). Unter anderem die Legitimation jihadistischer Gewalt ist Gegenstand der Sure 8 ("al-Anfal"/"die Beute") des Korans, die der Kläger auswendig zu lernen beabsichtigte (Bl. 418 und 450 der Ermittlungsakte). In einem Telefonat mit einem Bekannten singt er "Bedirler uhudlar örnektir bana", einen religiösen Sprechgesang, der unter anderem die Verse "Ich soll für den Weg Gottes sterben, Mutter!", "Mein Blut soll fließen ..., Mutter." und "Es werden auf jeden Fall die Köpfe der Ungläubigen abgeschlagen." beinhaltet (Bl. 447 f. der Ermittlungsakte). Eine islamwissenschaftliche Stellungnahme des polizeilichen Staatsschutzes weist dieses Lied als projihadistisch aus (Bl. 918 der Ermittlungsakte). Während die Märtyrer im Jenseits paradiesische Belohnungen erwarteten, seien den Ungläubigen die Köpfe abzuschlagen, bevor sie zur Hölle führen (Bl. 449 der Ermittlungsakte).

45

(2) Seine Nähe zum radikalen Salafismus dokumentierte der Kläger zudem durch die Teilnahme an verschiedenen Aktionen und Versammlungen.

46

In I. nahm er wiederholt an der maßgeblich von dem salafistischen Prediger Ibrahim Abou-Nagie unter der Bezeichnung "LIES!" organisierten Koran-Verteilaktion teil, die erst durch das in Bestandskraft erwachsene Verbot der salafistischen Vereinigung "Die wahre Religion" alias "LIES!Stiftung"/"Stiftung LIES" einschließlich ihrer Teilorganisationen durch das Bundesministerium des Innern mit Verfügung vom 25. Oktober 2016 beendet wurde (Bl. 22 der Ermittlungsakte). Dabei hat er auch Ibrahim Abou-Nagie "erlebt" (Bl. 423 der Ermittlungsakte). Die Richtigkeit der Darstellung, er habe nur vier beziehungsweise fünf bis sechs Mal, verteilt auf einen Zeitraum von zwei Monaten, bei dieser Aktion geholfen (S. 1 des Schriftsatzes vom 28. Dezember 2018), unterliegt zumindest Zweifeln und ändert jedenfalls nichts an der Indizwirkung der zugestandenen Aktivitäten. Der Kläger wurde als vielfacher Teilnehmer an der Aktion identifiziert (Bl. 22 der Ermittlungsakte). Bei seiner Vernehmung am 28. Dezember 2016 wusste er nicht, wie häufig er teilgenommen hat (Bl. 123 der Ermittlungsakte); im Strafverfahren hat er dann eine achtmalige Mitwirkung angegeben (Bl. 1339 der Ermittlungsakte). Die auf die Frage, ob die Verteilung immer durch die gleichen Personen durchgeführt worden sei, getätigte weitere Äußerung, "von einer Woche zur dritten/vierten Woche [sei] es mal gleich [gewesen] und dann [sei] jemand anderes dazu[gekommen]" (Bl. 123 der Ermittlungsakte), deutet ebenfalls nicht darauf hin, dass sich das Engagement des Klägers auf vier Einsätze beschränkte. Der Kläger hatte Kenntnis davon, dass diverse Teilnehmer der LIES!-Aktion "nach Syrien gegangen" sind (Bl. 593 und 688 der Ermittlungsakte).

47

Des Weiteren besuchte er eigenen Angaben zufolge im Jahr 2016 in K. eine Veranstaltung des bundesweit bekannten salafistischen "Predigers" Pierre Vogel (Abu Hamza), der als eine der einflussreichsten Personen der Konvertitenszene gilt (Bl. 101 f., 112 der Ermittlungsakte). Seine Sympathie bekundete er auch für den ebenfalls zum Islam konvertierten salafistischen "Prediger" Sven Lau (Abu Adam), der wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung im Jahr 2017 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Zugleich äußerte er die Absicht, "zu [diesem zu] gehen" und "dort einen Antrag [zu] stellen" (Bl. 332 der Ermittlungsakte).

48

Dass der Kläger weitere V