BVerwG 9. Senat, Beschluss vom 08.05.2019, 9 B 19/18

Das Urteil unter dem Aktenzeichen 9 B 19/18 (BVerwG)

vom 8. Mai 2019 (Mittwoch)


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Die Beschwerde, die sich auf sämtliche Beschwerdegründe des § 132 Abs. 2 VwGO stützt, bleibt ohne Erfolg.

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1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

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Die Fragen,

ob die Einleitung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens nach § 86 FlurbG zulässig ist, wenn Anlass des Verfahrens allein der Schutz vor Hochwasser und wild abfließendem Regenwasser ist und

ob die Einleitung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens nach § 86 FlurbG zulässig ist, wenn das Verfahren überwiegend dem Schutz vor Hochwasser und wild abfließendem Regenwasser dient,

lassen sich, soweit sie einer verallgemeinernden Antwort überhaupt zugänglich sind, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten, ohne dass es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Wie der Kläger selbst nicht verkennt, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die Anordnung eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens nach § 86 FlurbG in erster Linie privatnützigen Zwecken zu dienen hat, hinter denen fremdnützige Zwecke im Konfliktfall zurücktreten, und dass ein objektives Interesse der Teilnehmer im Sinne des § 4 FlurbG bestehen muss. Mit dem Erfordernis überwiegender Privatnützigkeit ist es insbesondere nicht vereinbar, eine vereinfachte Flurbereinigung anzuordnen, um für ein im Interesse der Allgemeinheit liegendes Vorhaben Land zu beschaffen (BVerwG, Urteil vom 13. April 2011 - 9 C 1.10 - BVerwGE 139, 296 Rn. 13 ff., 21; Beschluss vom 18. November 2014 - 9 B 30.14 - ZUR 2015, 290 Rn. 4).

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Einen darüber hinausgehenden allgemeinen Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar. Ihre Kritik, in dem Antrag der Gemeinde L. auf Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens und den vorangegangenen Beratungen sowie Informationsveranstaltungen sei es ausschließlich um den Hochwasserschutz und den Schutz vor wild abfließendem Regenwasser gegangen, zielt nur auf die Umstände des Einzelfalles. Davon abgesehen verkennt die Kritik, dass es für die überwiegend privat- bzw. fremdnützige Zweckbestimmung des Flurbereinigungsverfahrens auf die Begründung des Anordnungsbeschlusses ankommt und nicht etwa darauf, was Anlass eines diesbezüglichen Einleitungsantrages gewesen ist. Denn die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens nach § 4 FlurbG - hier in Verbindung mit § 86 FlurbG - erfolgt von Amts wegen, ohne dass hierfür ein Antrag notwendig oder maßgeblich wäre (vgl. auch Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 4 Rn. 3 m.w.N.).

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Der Flurbereinigungsbeschluss vom 1. Februar 2016 sieht den Verfahrenszweck vorrangig darin, im Interesse der Teilnehmer unklare Grenz- und Eigentumsverhältnisse neu zu ordnen und das Wege- und Gewässernetz zu verbessern. Ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2016 sollen durch den angestrebten Ausbau des Grabennetzes die Vorflutwirkung verbessert bzw. die Überschwemmungs- und Erosionsgefahr vermindert und dadurch im vorrangig privatnützigen Interesse die Produktions- und Arbeitsbedingungen der Landwirtschaft positiv beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund hat das Oberverwaltungsgericht die Flurbereinigung als überwiegend privatnützig angesehen. Die Frage, ob die hoheitliche Aufgabe des Schutzes der Bevölkerung vor Hochwasser einerseits und die Verantwortung der Grundstückseigentümer für das wild abfließende Regenwasser außerhalb der Vorflut andererseits auf die Teilnehmergemeinschaft eines Flurbereinigungsverfahrens überwälzt werden kann, stellt sich unter der Prämisse des Oberverwaltungsgerichts so nicht. Ob die zitierte Begründung des Flurbereinigungsbeschlusses und des Widerspruchsbescheides und deren tatrichterliche Würdigung den Schwerpunkt des Verfahrenszwecks zutreffend wiedergeben, betrifft im Übrigen nur den vorliegenden Fall und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung.

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2. Die Revision ist ferner nicht deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil auf einer Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beruht. Eine Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Der Hinweis auf eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dagegen nicht (BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 9 B 65.15 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 13 m.w.N.). Daran gemessen zeigt die Beschwerde die behauptete Divergenz nicht auf.

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Sie entnimmt dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2011 - 9 C 2.10 - (bzw. dem veröffentlichten Parallelurteil gleichen Datums - 9 C 1.10 - BVerwGE 139, 296 Rn. 15, 21) sowie dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2014 - 9 B 30.14 - (ZUR 2015, 290 Rn. 4 f.) zutreffend den bereits oben erwähnten Rechtssatz, dass ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 FlurbG vorrangig privatnützig sein muss, mögen auch fremdnützige Zwecke mit verfolgt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat allerdings keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern sich vielmehr die Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich zu eigen gemacht (UA Rn. 23).

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Einen Rechtssatz des Inhalts, dass in einem Verfahren, das fremdnützige Maßnahmen ermöglichen soll, dem Privatnützigkeitserfordernis nur entsprochen wird, wenn es vorrangig um die Beseitigung bzw. Auflösung von Konflikten zwischen sich wechselseitig störenden Nutzungen oder um eine konfliktfreie Neuordnung der Grundstücksnutzung geht, hat das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Darlegung der Beschwerde nicht aufgestellt. Vielmehr wird für diese Konstellation der privatnützige Zweck der Konfliktbereinigung in den beiden genannten Entscheidungen beispielhaft hervorgehoben (BVerwG, Urteil vom 13. April 2011 - 9 C 1.10 - BVerwGE 139, 296 Rn. 21, Beschluss vom 18. November 2014 - 9 B 30.14 - ZUR 2015, 290 Rn. 5). Davon abgesehen sollen notwendige Erosions- und Hochwasserschutzmaßnahmen nach dem Flurbereinigungsbeschluss möglichst in Verbindung mit Maßnahmen der Landschaftsgestaltung und -pflege sowie des Naturschutzes durchgeführt werden. Von daher steht es mit den zitierten Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts auch der Sache nach durchaus in Einklang, die dort ausdrücklich angesprochene Konstellation einer Konfliktvermeidung zwischen Landwirtschaft und Landschaftspflege auch im vorliegenden Fall in Erwägung zu ziehen, zumal die genauere Planung der erforderlichen Maßnahmen erst dem weiteren Flurbereinigungsverfahren vorbehalten ist (vgl. UA Rn. 28 a.E.).

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Soweit die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Privatnützigkeit den Nachweis verlangt, dass sämtliche Flächen innerhalb des Flurbereinigungsgebietes, mithin auch diejenigen des Klägers, von den in Aussicht genommenen Maßnahmen profitieren, unterlässt sie es, widerstreitende Rechtssätze aufzuzeigen. Eine Divergenz legt sie schon von daher nicht dar. Unbeschadet dessen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die angestrebte Verbesserung der Agrarstruktur des gesamten Bereinigungsgebietes und nicht etwa die eines einzelnen Betriebes den zutreffenden Maßstab bildet, an dem die Rechtmäßigkeit des Einleitungsbeschlusses zu messen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 26. März 1974 - 5 B 14.72 - BVerwGE 45, 112 <113 f.> und vom 22. Februar 1980 - 5 B 22.80 - Buchholz 424.01 § 1 FlurbG Nr. 7).

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3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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Mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe verschiedene Angaben der Flurbereinigungsbehörde, obgleich bestritten, vorbehaltlos hingenommen und damit seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, übersieht die Beschwerde, dass der Kläger diesbezügliche Beweisanträge nicht gestellt hatte. Inwieweit sich die vermisste weitere Aufklärung des Sachverhaltes dem Gericht aufgrund konkreter, auf bestimmte Beweisthemen und Beweismittel bezogener Hinweise oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sie sich ihm von sich aus hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde ebenso wenig dar.

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Auch mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe fehlerhaft - nämlich unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) - unterstellt, dass der Kläger selbst von einem Ausbaubedürfnis hinsichtlich des seine Grundstücke erschließenden Kreuzwegs ausgehe, dringt die Beschwerde nicht durch. Das gilt schon deshalb, weil dieser Punkt im Rahmen der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts ersichtlich nicht entscheidungserheblich war. Nach dessen materieller Rechtsauffassung, die es für die Beurteilung des angeblichen Verfahrensfehlers maßgeblich ankommt, ist für die Rechtmäßigkeit des Einleitungsbeschlusses auf die bestehenden Verhältnisse und die zu erwartenden Ergebnisse im gesamten Flurbereinigungsgebiet abzustellen (UA Rn. 36). Daran gemessen ist die Einbeziehung des Grundbesitzes des Klägers in das Verfahrensgebiet bereits deshalb unbeanstandet geblieben, weil das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, dass auch "sein Grundbesitz nicht vollständig arrondiert und vor allem nicht gänzlich zusammenhängend (ist), so dass auch insoweit Verbesserungsmöglichkeiten bestehen" (UA Rn. 37). Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.